Die Kirche zu Nitzschka

An der Salzstraße von Halle nach Böhmen baute man einst angesichts der Muldenfurt bei Trebsen auf die höchste Felsenzacke eine kleine Betkapelle, um dort um Schutz, Segen und Geleit zu beten – so zwischen Himmel und Mulde – unterstützt vom heiligen Nikolaus, dem Schutzheiligen der Kaufleute und Reisenden. Weit schaut die Kapelle ins Land, ermutigt und ruft den Reisenden zu Land und zu Wasser. Offenbar waren die Spenden der Reisenden so groß, dass bald für die Kapelle ein eigener Messpriester abgestellt wir. Nebenbei wird auch das Dörflein mit Rittergut am Fuß des Felsens, das spätere Unternitzschka mit Taufen und Sterbesakramenten versorgt.
Doch nicht nur das fromme Auge erkennt Schönes und Sinnvolles. So siedelt sich ein Rittergut neben die Kapelle gen Süden an den Hang und hinter der Kapelle gen Norden erstreckt sich der Friedhof.
Auch Martin Luther wandert mehrfach durch Nitzschka.
Doch mit der Reformation ist es aus mit Heiligenkult und die Priester sind nun verheiratet. Die Pfarrstelle muß nun eine ganze Familie tragen. So finden sich nach viel hin und her 2 Patrone auf einen Pfarrer. Nitzschka kommt zusammen mit Neichen, denn ein Pfarrer hat ja nun nur noch eine Berechtigung, wenn er für eine Ortsgemeinde da ist. Inzwischen erhebt sich längst über der Kapelle ein Turm. Doch das reicht nicht für eine Gemeindekirche. So wird mutig zur Mulde zu erweitert und ein Gemeindeschiff angebaut, damit wie üblich die Gemeinde beim Gottesdienst nach Osten auf den Altar schauen kann, über dem sich nun der Turm erhebt und mit seinen Glocken die Gebete bei der Abendmahlsfeier verstärkt.
Die Bautätigkeit am größten Jagdschloß Europas bei Wermsdorf findet auch in Nitzschka kunstsinniges Echo, nur erfasst es hier Kirche und die ganze Gutsanlage und bringt eine einheitliche Schlossanlage hervor. Das Schloß ist vorgehoben über den Abgrund, wirkt schon dadurch kühn und imposant. Der linke Schlossflügel läuft nun in die Kirche aus und Rechts in die Stallanlage. So entstand ein stolzer herrschaftlicher Innenhof. Das Geschick des Schlossherrn war aber nicht entsprechend erhaben. Die Herrin starb früh. Beide Söhne starben als Offiziere mit 18 u. 21 Jahren in der Armee an Epidemien. Dass der übriggebliebe Vater gebrochen und resigniert von dannen zog. Darauf wechselte die Herrschaft von Generation zu Generation.
Ob von diesem Erlebnis die Inschrift über den sehr schlichten Patronatsstuhl Kommt? Sie sagt auf lateinisch:
„Kein Weg ist dem Tüchtigen unwegsam.“
Nun sieht es fast so aus, als habe sich diese Kirche schließlich doch noch gegen die ihr zugemutet Kuppelei gewehrt und behauptet. 1945, als viele außer hassen noch gar nichts anderes verstanden, haben böse Buben das Schloß bis zum Kellergewölbe abgerissen. Sie ahnten nicht, das sie damit das herz der Nitzschkaer trafen, denn die meisten waren stolz auf ihr Schloß. Nun fand der Heimatstolz an dieser Kirche immerhin wieder halt. In unglaublichen Einsatz retteten sie in letzter Minute ihren barocken Kirchturm. Sie wurden unterstützt, aber nur weil das ganze Dorf so entschlossen war. Und zur Ironie der Geschichte wurde 1987 diese Kirche vornehmer als je zuvor mit Kupfer gedeckt. Dann gab es eine lange finanzbedingte Schaffenspause. Doch der Wille des Dorfes überwand selbst dies und vollendete 1991 –92 die Renovation. Nun leuchtet sie wieder ins Land, nicht mehr als Kapelle, sondern eine schmucke Kirche, die aus ihrer Geschichte viel geerbt hat und mitbringen durfte und nun doch immer noch einlädt zum heiligen Mahl, zu Besinnung und Ermutigung und dies unverdeckt zum Dorf durch den gewachsen Turm und über die Mulde weit ins Land. Gerührt und betroffen von dieser Botschaft gestalten wir 1987 die Turmfahne neu und verdichten diese Geschichte im Bild eines segnenden und Posaune blasenden Engels. Seht hinauf! Er bläst noch seine Botschaft segnend über Dorf und Land zu euch.

Nemt, 5. Dezember 1991                                             Pfarrer Martin Carlitz